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Projekt der Woche #221: "Geschichte(n) erleben"

18.06.2018
Projekt-Teaser, (c) Foto: Kindermuseum Nürnberg Anna Maria Schönrock
Projekt-Teaser, (c) Foto: Kindermuseum Nürnberg Anna Maria Schönrock

Im Projekt "Geschichte(n) erleben" im Kinder- & Jugendmuseum Nürnberg können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Blick hinter die Kulissen der Museumssammlung werfen und eigene Führungen und Workshops kreieren und durchführen. Die Kinder und Jugendlichen können in die Rolle historischer Figuren mitsamt Kostümen schlüpfen und Experten für die Alltagskultur der Jahrhundertwende des 19. zum 20. Jahrhundert werden: sie verwandeln sich so spielend leicht in Dienstmädchen, feine Damen oder Bäcker und führen Gleichaltrige als Expertinnen und Experten durchs Museum. Das Projekt wird als Bündnis für Bildung von den drei Bündnispartnern Kinder- und Jugendmuseum Nürnberg, Michael-Ende-Schule Nürnberg, GoKultur e.V. umgesetzt und gefördert durch "museum macht stark!" im Rahmen des Bundesprogramms "Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.

Laura Deinzer hat das Projekt durchgeführt und wurde von „Kultur bildet.“-Redakteurin Ulrike Plüschke befragt.

Ulrike Plüschke: Frau Deinzer, würden Sie bitte eingangs das Kindermuseum Nürnberg und seine Sammlung vorstellen.
Laura Deinzer: Das Kinder- & Jugendmuseum Nürnberg wurde vom Museum im Koffer e.V. 2001 gegründet. Das Kindermuseum bietet verschiedene Formen von Mitmachausstellungen, in denen die Kinder mit ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten im Mittelpunkt stehen. Das Museum orientiert sich an der Neugier und den natürlichen Lernbedürfnissen der Kinder und verfolgt für alle stattfindenden Aktivitäten und Lernprozesse die Prinzipien des "hands on" und "learning by doing". Die Ausstellungen sind so gestaltet, dass alle Sinne angesprochen werden, vielfältige Aktivitäten angeboten werden und speziell geschulte "ModeratorInnen" als Bildungsbegleiter den Besuchern zur Seite stehen. Das Museum beherbergt zwei Dauerausstellungen ("Alltag der Ur-Ur-Großeltern" und "Schatzkammer Erde") und wechselnde Sonderausstellungen. In der Dauerausstellung "Alltag der Ur-Ur-Großeltern“, in der das Projekt "Geschichte(n) erleben2 stattfindet, befindet sich die historische Erlebniswelt des Museums. In der Sammlung finden sich Objekte, Kleidung und Mobiliar aus der Zeit um 1900. Aufbereitet ist die Sammlung, gemäß dem Anspruch des Kindermuseums Geschichte erfahr- und erlebbar zu machen, als Rundgang durch die Lebenswelt der Ur-Ur-Großeltern: es gibt eine Schulecke, einen Kolonialwarenladen, einen Waschplatz, eine Bäckerei, eine Poststation, eine Küche und eine gute Stube. Alle Bereiche sind für die Kinder offen zugänglich und bespielbar, d.h. nicht nur zum Ansehen, sondern auch zum Anfassen und Ausprobieren.

Wie ist die Idee für das Projekt "Geschichte(n) erleben" entstanden und welche Ziele verfolgen Sie damit?
Das Kindermuseum verfolgt den Anspruch, Ausstellungen und Aktionen an die Bedürfnisse der Kinder anzupassen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wurden verschiedene Ideen verfolgt, wie eine jugend- und kindgerechte museale Vermittlung aussehen kann – eine davon ist das Konzept der Vermittlungsarbeit von Kindern für Kinder im Rahmen von peer-to-peer Führungen. In den vergangenen Jahren hatte das Museum bereits Erfahrung gesammelt mit der Ausbildung von Tierexperten, die in der Dauerausstellung "Schatzkammer Erde" tätig sind. Mitte 2017 entstand die Idee, auch für die Ausstellung "Alltag der Ur-Ur-Großeltern" ein peer-education-Programm umzusetzen. Die Kinder und Jugendlichen erhalten durch das Projekt handlungsorientierte Einblicke in die Welt um die Jahrhundertwende und deren museale Artefakte, die nicht nur als Ausstellungsstücke, sondern auch als tatsächliche Gebrauchsgegenstände erfahrbar werden. Unser Ziel ist es, den Kindern und Jugendlichen kulturelle und kulturhistorische Erfahrungen zu eröffnen –  Mithilfe einer Vielzahl partizipativer Methoden aus den Bereichen der Medien-, Theater- und Museumspädagogik sollen die Teilnehmenden das Museum als Kulturort erleben und aktiv mitgestalten können: das Kindermuseum soll als sozialer und kultureller Lern-, Bildungs- und Entwicklungsort in der Lebenswirklichkeit der TeilnehmerInnen erfahrbar gemacht werden. Gleichzeitig werden individuell-biografische Lernprozesse in Gang gesetzt und soziale, mediale und sprachliche Kompetenzen gefördert. Ein weiteres Ziel ist es, den TeilnehmerInnen mithilfe partizipativer Methoden ein aktives Mitspracherecht an der konkreten Ausgestaltung ihrer Führungen zu gewähren und sie in ihrem Selbstkonzept und ihrer Selbstwahrnehmung zu stärken, so dass sie optimal für die Vermittlungstätigkeit an die peers vorbereitet sind.

Auf welche Art und Weise werden die teilnehmenden Jugendlichen selbst im Projekt aktiv und welche Partizipationsmethoden setzen sie dabei ein?
Die Kinder und Jugendlichen werden von Anfang an in Entscheidungs- und Diskussionsprozesse eingebunden. Das bedeutet, dass sie die Inhalte und Abläufe ihrer Führungen und Workshops selbst festlegen und ausarbeiten: angefangen bei der Auswahl und Gestaltung ihrer historischen Figuren bis hin zur Entwicklung von Texten und Vermittlungsaktivitäten. Im Rahmen des Projektes wurden als Museumsportrait ein Vermittlungsfilm und ein Audioguide aufgenommen, deren Themen, Inhalte und Texte von den TeilnehmerInnen eigenständig entworfen wurden. Das Projekt setzt zudem auf die Einbindung der Eltern – dazu haben die Kinder und Jugendlichen ein Programm für eine Elternwerkstatt erdacht, in der sie für ihre Eltern eigenständig Führungen gehalten und Praxisworkshops in der Ausstellung durchgeführt haben. Um die Partizipations- und Selbstbestimmungskompetenzen der Kinder und Jugendlichen zu festigen, wurde während des Projekts darauf geachtet, gezielt die Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit der Teilnehmenden zu fördern, um so das Selbstwirksamkeitserleben zu stärken. Die beteiligten Fachkräfte verstehen sich dabei als Bildungsbegleiter, die das partizipative, handlungsorientierte Lernen und Entdecken fördern und die Fähigkeiten und Ressourcen der Teilnehmenden wahrnehmen und ausbauen.

Welche Projektergebnisse sind bisher entstanden und wie sind die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
Als Projektergebnisse sind neben den Führungen und Workshops, die die TeilnehmerInnen mit peers durchgeführt haben, ein halbstündiger Vermittlungsfilm und ein zehnminütiger Audioguide entstanden. In letzterem haben die TeilnehmerInnen die Ausstellung "Alltag der Ur-Ur-Großeltern" vorgestellt, Gespräche ihrer historischen Figuren untereinander aufgenommen, Texte über die Figuren und über Aspekte der Zeit eingebunden und so ein umfassendes Portrait der Ausstellung geschaffen. Der Film repräsentiert ebenso die Führungen und die Vermittlungsarbeit der TeilnehmerInnen. Außerdem haben die peer-Teamer unter Anleitung zweier Künstlerinnen ein weiteres Museumsportrait erschaffen: sie fertigten Steckbriefe und Mini-Museen an, die Teilbereiche des Kindermuseums zeigten und in einer Ausstellung präsentiert wurden. Die Rückmeldungen der beteiligten Kinder und Jugendlichen sowie deren Eltern sind sehr positiv ausgefallen: die TeilnehmerInnen planen bereits ihre weiteren Besuche im Kindermuseum, das sie ab sofort kostenlos besuchen können, um dort ihre Führungen anderen Kindern und Jugendlichen zu präsentieren. Ebenso begeistert zeigten sich die insgesamt 44 peers, die bereits von den ExpertInnen und Experten durch die Ausstellung geführt wurden. Besonders positiv wurde von allen Beteiligten hervorgehoben, dass eine direkte Vermittlung von Kindern für Kinder stattfand. Es gab zudem zahlreiche Nachfragen nach weiteren Projektdurchläufen, so dass wir auch in Zukunft damit rechnen, eine große Zahl an Kindern und Jugendlichen durch das peer-education-Programm zu erreichen.

Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!

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Weitere Informationen

http://www.kindermuseum-nuernberg.de/

https://www.facebook.com/KindermuseumNuernberg/

https://www.nuernberg.de/internet/ganzleo/

http://gokultur-ev.de/

http://www.museum-macht-stark.de/die-museen/detailansicht/kinder-und-jugendmuseum-nuernberg.html

http://www.museum-macht-stark.de/home.html

https://www.buendnisse-fuer-bildung.de/

Workshop Historisches Backen mit peers, (c) Foto: Laura Deinzer
Workshop Historisches Backen mit peers, (c) Foto: Laura Deinzer
Kategorie: 
Allgemeine News
Enthalten in

Region: Bayern | Sparte: Museum | Thema: Altersübergreifend, Außerschulische Kinder- und Jugendbildung | Textsorte: Projekt der Woche |